Die Kirche und Die Welt

Mögen auch zwei miteinander wandeln, sie seien denn eins untereinander? Amos 3:3 Wir kennen die Antwort auf diese Frage. In diesem Gedicht gehen die Kirche und die Welt zu Fuß. Einer von ihnen entschied, welchen Weg er einschlagen sollte, und der andere willigte ein.

Vor Zeiten wandelten Kirche und Welt
In weit getrenntem Geleis.
Es sang die Welt ihr Schelmenstück,
Die Kirche: Jesu Preis.
Nicht lange währt’s, so ruft die Welt:
„Was gehst du so allein
Und hältst dich fern und stellst dich fremd?
Komm, laß uns Freunde sein!“

Die Kirche zog die keusche Hand
Tief ins Gewand zurück.
Unwillig schüttelte sie das Haupt
Und sagte mit ernstem Blick:
„Kein Bund sei zwischen mir und dir;
Getrennt sie uns’re Bahn!
Zum ew’gen Tode, eilest Du,
Ich reise himmelan.“

Doch jener schmeichelt: „Sei nicht bös“,
Mein Rat war gut gemeint.
Sieh nur, wie goldig hell und klar,
Bei mir die Sonne scheint.
Ich sehe daß auf rauher Bahn
Dein müder Fuß sich quält.
Doch hier sind Blumen, frisch und bunt,
Und Freuden ungezählt.

So treib’ ich frölich in die Flucht
Der Sorgen düst’res Heer –
Du gehst gedrückt, gedankenvoll,
Das Aug’ oft tränenschwer.
Du gute Närrin folge mir!
Komm, gib den Grillen Lauf!
Mein Weg ist breit; so bietet er
Uns beiden Raum darauf.“
Und siehe: zögernd, zaghaft folgt
Die Kirche der lockenden Welt,
Und eh’ man’s dachte, ist sie ihm
Als Freundin zugesellt.

Ist’s nicht ein überraschendes Bild,
Die beiden Hand in Hand?
Doch die Welt hebt bald von neuem an:
„Wie schlicht ist dein Gewand,
Wie ärmlich schreitest du einher
Und edlen Schmuckes bar!
Ich schmücke mit Gold und Seide dich
Und flechte dir Perlen ins Haar.“
Die Kirche mustert ihr einfaches Kleid,
Ihr Freundes blendende Pracht –
Dann merkt sie errötend den Unterschied
Und hört wie er spöttisch lacht.

Sie legt die weißen Gewänder ab
Und bekommt von der Welt dafür
Kostbare Stoffe und Goldgeschmied’
Und Rosen und Perlen zum Zier’.
Die Welt sieht schmunzelnd und freundlich zu,
Während wie ein erregtes Kind,
Die Kirche sich schmücket, ihr goldenes Haar
In zierlichen Locken gekrümmt.
Dann ruft er entzückt: „Wie sehr, wie sehr
Du dich verändert hast!
Nun frisch ans Werk! Du brauchst ein Haus,
Das nun besser für dich passt.
Die alte Wohnung – nimmermehr
Kann sie genügen dir,

So düster, nackt und freudenleer,
So kalt, mich fröstelt’s schier.“
Bald hatte die Kirche ein prächtiges Haus,
So wie ihr Freund es gewollt.
Das glänzt und gleißt von Decke und Wand
Und strahlt in Purpur und Gold.

Im weichen Teppich senkt der Fuß
Sich sanft und hörlos ein;
Zur Ruhe laden rings umher,
Gepolsterter Sessel Reih’n.
Der Kirche Kinder jubeln laut
Der neuen Herrlichkeit;
Die kluge Mutter erntet Lob
Und Dank von weit und breit.
Nun feiert man Feste in rauschender Lust,
Vergißt des Lebens Last,
Und gerne kommt die üppige Welt
Mit seinen Kindern zu Gast.

Es atmet eitel Lust und Glanz
Der Kirche stolzes Haus –
Nur Arme und Dürftige schämen sich
Und ziehen sich still hinaus.

Der Engel der Gnade fliegt bang’ vorbei;
Er flüstert der Kirche ins Ohr:
„Ich wieß deine Sünde, ich weiß diene Schuld! “
Da schreckt, wie vom Traum, sie empor,
Gedenket mit Seufzen vergang’ner Zeit,
Ruft weinend die Kinder herzu:
Doch haben ide Kinder, weitverstreut,
Zum Hören wenig Ruh’.
Der eine lauscht im Opernhaus,
Entzückendem, wildem, Gesang,
Der andre grad’ im Freundeskreis
Den vollen Becher schwang,
Der dritte im Prozesse lagUnd hatt’ vollauf zu tun,
Noch andre ließ die wilde Jagd,
Nach Geld und Gut nicht ruh’n.

Die Welt ruft tröstend: „Störe nicht
Der Kinder harmlos Spiel!
Kommt Zeit, kommt Rat. Sie finden schon
Von selbst das rechte Ziel.“
Der Kirche Tränen stillen sich:
Sie lächelt wieder und singt,
Und freut der Blumen sich, die ihr
Die Welt entgegenbringt.
Und weil sie tändelt und scherzt und spielt
Mit der Welt im innigen Bund,
Gehn unbewacht und ungewarnt,
Millionen Seelen zu Grund!

„Wie sind deine Diener so täppisch und derb
Und sprechen dem Anstand Hohn,“
Ruft spottend die Welt. „Eine zarte Natur
Erschrickt vor dem finstern Ton.
Sie reden vom Feuer, das nicht erlischt,
Und halten uns Sünden vor –
Dergleichen ist gegen den guten Geschmack
Und verletzt ein gebildetes Ohr.
Ich sende dir Leute von besserem Takt,
Geistsprühend, schmiegsam und flott.
Der alte, finstre Höllenwahn,
Ist längst der Klugen Spott.
Gott is die Liebe, reich an Gnad’,
Vergebung und Geduld –
Das will ich hören, aber nichts
Von Furcht und Sündenschuld! “

So füllt er mit Diener nach seinem Sinn
Der Kirche Haushalt an,
Und wer nur recht zu scherzen wußt’,
Ward ein gesuchter Mann.

Der listige Freund er läßt nicht nach;
Er tut der Kirche schön
Und lobt und schmeichelt immer mehr.
„Nur eins noch möcht’ ich seh’n.“
Sagt er zuletzt, „Du warst von je
Den Armen zugeneigt,
Hast Kleidung, Brot und Obdach wohl
Schon Tausenden gereicht.
Doch ist das klug? Hält Gott nicht selbst
Bestimmt des Menschen Los?
Der Kluge sorgt für sich, der Tor
Gibt sich für andre bloß.
Sei klug! Verschön’re lieber dir
Dein eigen Haus, denn nie
Gewinnst du meine Kinder ganz,
Wenn nicht prunkst wie sie.“

Der böse Rat fand gute Statt;
Die Kirche hört’ ihn gern
Und hält so viel als möglich sich
Der Not der Armen fern.
Vorzeiten ward Barmherzigkeit
Ihr schönster Ruhm genannt,
Nun buhlt sie um der Reichen Gunst
Und jagt nach ird’schem Tand.

Es ist vollbracht! Kein Unterschied
Trennt Welt und Kirche mehr;
In vollster Herzenseinheit geh’n,
Verlobt sie jetzt umher,
Und fröhlich rühmt die Kirche sich
Mit selbstzufried’nem Blick:
„Nun bin ich reich und satt, und will
Nichts mehr zu meinem Glück!“

Der Freund hört’s an mit Lust, und sieh
Der Sieg in seinem Gang.
Er jubelt still: „Die Kirche fiel!
Und rühmt sich ihre Schand!“

Der Engel tritt vorm Gnadenthron
Und nennet klagend und leis,
Der Gefallenen Namen. In Scham und Schmerz
Verstummet der Sel’gen Preis.
Und eine Stimme vom Throne her
Des Himmels Schweigen bricht:
„Ich weiss deine Sünde; du nanntest im Wahn
Dich reich, und wußtest nicht,
Dass Du bist elend und jämmerlich,
Prunkend mit Schein und Trug.
Fahr’ him! Dein edler Name sei
Getilgt aus des Lebens Buch!“

* * * * *

Doch aus der Kirche Seite heraus,
Während schläfrig, wohlhabend sie schwelgt,
Flieht der Rest der Gemeinde von Jesu erkauft,
Weit weg won der lockende Welt.
Durch das Wort ihres Zeugens, des Heilandes Blut,
Überwinden sie Kummer und Feind,
Mit weißen Kleidern vor Jesus zu stehn,
Im tag wenn er wieder erscheint.

Frei nach dem Englischen von F. D. Zesch.

Detalhes
Idioma
Deutsch
Editora
Rod and Staff Publishers Inc.
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